Digitaler Zwilling bildet Zukunft der Steillagen virtuell ab

Digitaler Zwilling

Der „Digitale Zwilling“ wurde Landrat Dietmar Allgaier sowie den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Landkreis bei einer Bootsfahrt entlang der Neckarschleifen von Marbach bis Hessigheim vorgestellt.

Landrat Allgaier: Einsatz moderner Technologien ermöglicht nachhaltiges Landschaftsmanagement

Marbach/ Hessigheim. Mit dem „Digitalen Zwilling Neckarterrassen“ startet im Landkreis Ludwigsburg ein zukunftsweisendes Modellprojekt. Dieses zeigt durch eine Simulation, wie sich die Landschaft auf unterschiedliche Art und Weise verändern kann. Der „Digitale Zwilling“ zählt zu dem Maßnahmenbündel, mit dem die Steillagen als Kultur- und Naturerbe erhalten werden sollen.

„Wenn wir das Problem stringent in Angriff nehmen wollen, brauchen wir im Landkreis einen praktikablen und vollständigen Überblick über die Entwicklung in unseren Steillagen. Dazu müssen wir auch moderne Technologie einsetzen“, sagt Landrat Dietmar Allgaier. Das Landratsamt Ludwigsburg zählt zu den Partnern des vom Höchstleistungsrechenzentrum an der Universität Stuttgart (HLRS) entwickelten und geleiteten Modellprojekts. „Wir werden einen dramatischen Landschaftswandel erleben, wenn wir jetzt nicht handeln“, so der Landrat weiter.

Präsentation per Schifffahrt ermöglicht besondere Perspektiven

Vorgestellt wurde der „Digitalen Zwilling“ den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Gemeinden entlang der Neckarschleifen von Marbach bis Hessigheim auf dem Schubboot „Delphin“ des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts (WSA). „Es geht darum, aus einer ganz anderen Perspektive als gewohnt einen besonderen Eindruck über den in Teilen schon weit fortgeschrittenen sowie drohenden Wandel der lieb gewonnenen Landschaft zu ermöglichen“, erklärt Claus-Peter Hutter, Präsident der Stiftung NatureLife-International und Projektinitiator des „Digitalen Zwillings Neckarterrassen“.

Professor Resch: Entscheidungsgrundlage für Landschaftsmanagement

„Der ‚Digitale Zwilling‘ soll durch diverse Simulationen potenzielle Landschaftsveränderungen unter verschiedenen Projektionen sichtbar machen, um immer dringlicher werdende Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlagen für das nachhaltige Landschaftsmanagement zu gewinnen“, erläutert Professor Dr. Michael Resch, Direktor des HLRS bei der Präsentation erster Simulationsbeispiele.

Die virtuellen Eindrücke aus den Simulationen sind genauso ernüchternd wie der reale Blick vom Schiff auf die Weinberge. In Benningen ist das Problem schon länger bekannt. Dort wird durch die Initiative „Wengerter auf Probe“ gegengesteuert. Von Pleidelsheim in Richtung Mundelsheim wird der Verfall von Weinbergen unterhalb von Kleiningersheim deutlich sichtbar. Der Mühlbächer auf der gegenüberliegenden Seite des Neckars ist noch fast lückenlos mit Trollinger bestockt. Die Bewirtschaftung ist aber prekär. Das geht so lange gut wie Wochenend- und Feierabendwengerter die Arbeit noch selbst machen, quasi als Hobby. Für Vollerwerbsbetriebe rechnet sich das nicht mehr. „Der Betrieb müsste von der Genossenschaft auf den Hektar ein Traubengeld von knapp 19.000 Euro bekommen, um einer Arbeitskraft den Mindestlohn von 12,50 Euro für 1.500 Stunden zu zahlen“, rechnet Fabian Alber, Winzer und Kellermeister der exNicrum Weinmanufaktur in Hessigheim, vor. Tatsächlich beträgt die Auszahlung nur einen Bruchteil davon. Die günstigste Zukunftsperspektive hat wohl der Mundelsheimer Käsberg. Er gilt als eines der bedeutendsten kulturgeschichtlichen Naturdenkmale am Neckar. „Hier hat man auch zuerst das Potenzial für die Neubestockung mit hochwertigen Rebsorten erkannt und entschlossen gehandelt“, erklärt exNicrum Mitinhaber Dr. Herbert Müller, der mit Alber am Käsberg einen Hektar mit mediterranen Sorten bewirtschaftet und Projektpartner der Initiative „Digitaler Zwilling Neckarterrassen“ ist.

Akuter Handlungsbedarf erfordert konkrete Maßnahmen

Auf solche Sorten haben auch das Weingut Herzog von Württemberg und einige Wengerter des zu den Lauffener Weingärtnern gehörenden Käsbergkellers umgestellt.  Abrupt fällt allerdings am Ende des Käsbergs an der Gemarkungsgrenze zu Hessigheim auf, dass auf dem sogenannten Mühlberg fast zwanzig Flurstücke seit dem vergangenen Herbst nicht mehr bewirtschaftet werden. „Hier herrscht akuter Handlungsbedarf“, ist der Hessigheimer Bürgermeister Pilz überzeugt. Er arbeitet mit dem Gemeinderat an einer Förderrichtlinie. „Fest steht für mich, dass Kreis und Kommunen mit konkreten Maßnahmen gefordert sind“, resümiert Allgaier. „Dazu gehören finanzielle Anreize ebenso wie Priorisierungen bei der Erhaltung des Landschaftsbildes auf der Grundlage vollkommener Transparenz, die am besten Computersimulationen schaffen können“.

Fördermaßnahmen sollen unterstützen

Landrat Allgaier engagiert sich schon länger verstärkt für konkrete Maßnahmen zur Erhaltung des historisch gewachsenen Landschaftsbildes der Steillagen. Er knüpft an die Ergebnisse des Projekts Steile Weine an, das mit Landesmitteln und Mitarbeitenden des Landratsamts durchgeführt wurde. Als Ergebnis wird den Winzern empfohlen, ihre Weinberge mit südeuropäischen und pilzwiderstandsfähigen Rebsorten anstelle des Trollingers neu zu bepflanzen. Zudem werden Wege zur Vermarktung durch die Genossenschaften und private Weingüter aufgezeigt. Jetzt sind die Genossenschaften, ihre Mitglieder und die privaten Wengerter aufgerufen, die Handlungsempfehlungen umzusetzen. Weil Weingärtnern aber erhebliche Kosten für die Neuanlage ihrer Weinberge entstehen und sie unter Einnahmeausfällen im Pflanzjahr und dem Folgejahr leiden, brauchen sie Unterstützung durch Fördermaßnahmen. Hierfür stehen EU-Mittel zur Verfügung.  Es gibt zudem bereits einige sehr gute Ansätze für Förderungen bei den Kommunen wie Mundelsheim und Hessigheim.